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Pressemitteilungen


Offener Brief: Beantwortung der Anfrage von Deutscher Umwelthilfe und Robin Wood zu iLUC-Risiko von Biokraftstoffen

Wir begrüßen es sehr, dass die Anfrage vom 02.09.2020 direkt an die Hersteller von Biokraftstoffen gerichtet war. Wir beantworten gern die Fragen aus VERBIO-Sicht und freuen uns auf einen konstruktiven Fachdialog.

An Herrn Sascha Müller-Kraenner (Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V.) und
Frau Fenna Otten (Fachreferentin Tropenwald ROBIN WOOD)

per Mail an Deutsche Umwelthilfe e. V. am 21. September 2020

Beantwortung der schriftlichen Anfrage des Deutsche Umwelthilfe e. V. und des ROBIN WOOD e. V. vom 02.09.2020 zum Thema „Biokraftstoffe mit hohem indirekten Landnutzungsänderungsrisiko“ (kurz: iLUC-Risiko)

Sehr geehrter Herr Müller-Kraenner,
sehr geehrte Frau Otten,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema „Biokraftstoffe mit hohem iLUC-Risiko“ vom 2. September 2020. Wir begrüßen es sehr, dass Sie Ihre Anfrage direkt an die Hersteller von Biokraftstoffen richten. Gern beantworten wir Ihnen Ihre Fragen aus VERBIO-Sicht und freuen uns, mit Ihnen in einen konstruktiven Fachdialog zu treten.

Die VERBIO Vereinigte BioEnergie AG ist einer der führenden Biokraftstoffhersteller in Deutschland und Europa. Unser Portfolio umfasst alle drei derzeit gängigen Biokraftstoffe: Biodiesel, Bioethanol und Biomethan. Wir setzen konsequent auf selbst entwickelte innovative Technologien und effiziente, energiesparende Produktionsprozesse, um mit unseren Biokraftstoffen stets die nachhaltigste und größtmögliche CO2-Einsparung zu garantieren. Dabei liegt der Fokus unserer Forschung und Entwicklung maßgeblich auf der Produktion von fortschrittlichen Biokraftstoffen der zweiten Generation auf Basis von agrarischen Reststoffen, die keine weiteren Flächen benötigen. Bestes Beispiel dafür ist die von uns entwickelte und bereits an zwei Standorten in Brandenburg installierte großtechnische Produktion zur Herstellung von Biomethan aus 100 Prozent Stroh.

Bei Ihrer Anfrage steht aber die Rohstoffbasis des von uns produzierten Biodiesels im Mittelpunkt. Konkret schildern Sie in Ihrem Schreiben die Sorge, dass vor allem Biodiesel aus Palm- und Sojaöl zur indirekten Landnutzungsänderung in den Anbauländern beiträgt und deshalb bei Berücksichtigung dieses Effekts keine relevanten CO2-Einsparungen gegenüber fossilem Diesel erreicht. Sie stellen in diesem Zusammenhang die konkrete Frage, wie wir zu einem Ausstieg Deutschlands aus der Biokraftstoffproduktion auf Basis von Palmöl und Sojaöl stehen.

Rapsöl ist mengenmäßig der mit Abstand bedeutendste Rohstoff für die deutsche Biodieselproduktion. [1] VERBIO verarbeitet zur Herstellung von Biodiesel in seinen Anlagen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg ausschließlich Rapsöl aus der heimischen Produktion. Dies sichert Wertschöpfung und Einkommen der regionalen Landwirtschaft. Darüber hinaus trägt Rapsöl zur Unabhängigkeit deutscher Landwirte von Futtermittelimporten aus Übersee bei. 

Bitte gestatten Sie mir an dieser Stelle die Anmerkung, dass der Begriff „futtermittelbasierte Bio-kraftstoffe”, den Sie in Ihrer Kommunikation verwenden, irreführend ist. Bei der Herstellung von Biokraftstoffen entstehen Futtermittel, genauer Eiweißfuttermittel. Das wertvolle Koppelprodukt Rapsschrot stellt das Rückgrat der Selbstversorgung mit Eiweißfuttermitteln in Deutschland dar. Rapsschrot findet unter anderem Anwendung in der Produktion von Milch mit dem „ohne Gentechnik”-Siegel, denn importierte Futtermittel werden häufig aus gentechnisch verändertem Soja hergestellt.

Bei der Umesterung von Pflanzenölen zu Biodiesel entsteht mit Glycerin ein weiteres wichtiges Koppelprodukt, das als Inhaltsstoff unter anderem in Händedesinfektionsmitteln sowie in der Kosmetik- und Nahrungsmittelindustrie zum Einsatz kommt. Kein Duschbad, keine Handcreme, keine Seife, keine Zahnpasta ohne Glycerin. Vor der Produktion von Glycerin in Biodieselanlagen wurde dieses aus Erdöl synthetisiert. 

Im Rahmen der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (BiokraftNachV) unterliegen Biokraftstoffe seit Jahren einer rechtsverbindlichen Nachhaltigkeitszertifizierung. Für in Verkehr gebrachte Biokraftstoffe müssen durch akkreditierte Systeme ausgestellte Nachhaltigkeitsnachweise vorgelegt werden, die zweifelsfrei dokumentieren, dass die strengen Nachhaltigkeitsanforderungen während des gesamten Herstellungsprozesses eingehalten worden sind. Für die Anerkennung von Zertifizierungssystemen sowie für die elektronische Datenbank zur Dokumentation der Nachhaltigkeitsnachweise ist in Deutschland die BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) verantwortlich. Derartige gesetzliche Anforderungen existieren in sämtlichen Mitgliedsstaaten der EU. 

Diese gesetzliche Nachhaltigkeitszertifizierung von Biodiesel hat zur Folge, dass auch die hergestellten Ölschrote (Futtermittel) und Glycerin eine verbesserte Nachhaltigkeit aufweisen. So können die durch die Biokraftstoffproduktion anfallenden Futtermittel nicht von neuerlich gerodeten Flächen stammen. Wir möchten an dieser Stelle auf umfassende Initiativen der Futtermittelwirtschaft und der Lebensmittelwirtschaft verweisen, die in den vergangenen Jahren zu signifikanten Steigerungen der freiwilligen Nachhaltigkeitszertifizierung geführt haben. 

Palmöl kommt in Deutschland zur Biokraftstoffproduktion nur in sehr geringen Mengen zum Einsatz und zwar ausschließlich von nachhaltig zertifizierten Anbauflächen (siehe BiokraftNachV). In den Wintermonaten kann Palmölbiodiesel in unseren Breiten wegen der schlechten Kälteeigenschaften nur in kleinen Anteilen eingesetzt werden. Palmöl-Biodiesel wird zu wesentlich günstigeren Preisen hergestellt und am Markt angeboten als Biodiesel aus heimischem Rapsöl. Um diesem Marktdruck standhalten zu können, müssen die hiesigen Unternehmen zeitweise gewisse Mengen Palmöl-Biodiesel als Beimischungskomponente für den rapsölbasierten Biodiesel verwenden. Um dies weiter einzuschränken, wäre hier eine Verringerung des Preiseffektes einzig zielführend. Dazu ist es aber notwendig, die Rahmenbedingungen für die CO2-Einsparungsziele im Verkehr so zu gestalten, dass die regionale Wertschöpfung und Nachhaltigkeit von Rapsöl als Rohstoff auch kostenseitig eine größere Anerkennung findet. 

Bedauerlicherweise gibt es viele Länder außerhalb der EU, die über keine Nachhaltigkeitszertifizierung verfügen – und eine solche Verordnung existiert für andere Verwendungsbereiche von Palmöl und Sojaöl ebenfalls nicht. Hieraus ergibt sich ein weitaus größeres iLUC-Risiko als aus der Biokraftstoffproduktion, für die klare Nachhaltigkeitsvorgaben existieren und angewendet werden. Dieser Missstand könnte gelöst werden, indem weltweit und in allen Sektoren nur noch nachhaltig zertifizierte Rohstoffe zugelassen werden. 

Der europäische Gesetzgeber hat das Auslaufen der Verwendung von Palmöl zur Biokraftstoffherstellung bis zum Jahr 2030 beschlossen. Der vieldiskutierten Theorie, dass ein Palmöl-Verbot für Biokraftstoffe das Entstehen neuer Rodungsflächen für die Belieferung der Nahrungsmittelindustrie mit Palmöl verhindert, stellen wir allerdings in Frage. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat in seinem Special Report „Climate Change and Land“ aus dem Jahr 2019 der iLUC-Theorie bereits ein klare Absage erteilt. Eine Verschärfung der europäischen Regelung auf nationaler Ebene wäre in Bezug auf die befürchtete Landnutzungsänderung wenig zielführend und nimmt Wirtschaftsunternehmen ihre Investitionssicherheit. Wir plädieren gemeinsam mit dem Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e. V. (VDB) dafür, die Nutzung von Palmöl als Rohstoff zur Biokraftstoffproduktion zu deckeln; denn negative Effekte im Sinne von Landnutzungsänderungen gehen nur von neuen Anbauflächen – nicht aber von den bestehenden Flächen – aus. 

Statt der Verhängung eines Palmöl-Verbots für europäische Hersteller muss das Problem global beim Schopf gepackt werden. Ansonsten werden wir weitere Beispiele wie das jüngste aus Indonesien erleben: Nach dem europäischen Phasing-out verlieren die derzeit verbindlichen Nachhaltigkeitsregeln der EU ihre Wirkung in anderen Produktionsländern – so auch in Indonesien. Hier hat die indonesische Regierung daraufhin die gesetzlichen Vorgaben für eine verstärkte inländische Biodieselnutzung deutlich ausgebaut, was ebenfalls zu einer größeren Nachfrage nach Palmöl zur Biokraftstoffproduktion führt. Ohne Nachhaltigkeitsnachweis! Ein Palmöl-Verbot in Europa geht somit mit dem Verlust der Möglichkeit einher, positive Anreize in den Ursprungsländern hin zu einer nachhaltigen Landbewirtschaftung zu setzen.

Unabhängig von der Palmöl-Debatte sind Biokraftstoffe der ersten Generation aktuell noch nicht wegzudenken. Doch die zweite Generation ist längst keine Zukunftsmusik mehr – sie ist da! VERBIO hat hier mit seiner Biomethanproduktion aus landwirtschaftlichen Reststoffen und überschüssigem Stroh einen Meilenstein gesetzt. Und wir arbeiten weiter mit Nachdruck und entsprechenden Investitionen an der Etablierung reststoffbasierter Biokraftstoffe der zweiten Generation, welche das Portfolio zur CO2-Reduktion im Verkehr nachhaltig ergänzen.

Allein in Deutschland bleiben jährlich bis zu 20 Millionen Tonnen Stroh in der Landwirtschaft un- genutzt, die bei der Verrottung auf den Feldern Methan freisetzen – und Methan ist in seiner Wirkung 25mal schädlicher als CO2. VERBIO nimmt den Landwirten das ungenutzte Stroh ab, produziert daraus Biomethan für PKW und LKW mit CNG/LNG-Antrieb und führt die Gärreste als hochwertigen Biodünger zurück in die Landwirtschaft. 

Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e. V. (VDB) geht davon aus, dass Elektromobilität, Wasserstoff und andere strombasierte Kraftstoffe nicht ausreichen werden, um die erforderliche THG-Minderung zur Erfüllung des deutschen Verkehrszieles 2030 zu erreichen. Laut Energiereferenzprognose im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie werden neben 6,5 Millionen Elektrofahrzeugen sowie Effizienzgewinnen auch 20 Prozent erneuerbare Kraftstoffe benötigt.

Biokraftstoffe weisen rund 84 Prozent niedrigere Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilen Energieträgern auf. Im Jahr 2018 haben nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Biokraftstoffe in Deutschland für THG-Einsparungen in Höhe von 9,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenzen gesorgt. Und hier geht noch sehr viel mehr! 

Sehr geehrter Herr Müller-Kraenner, sehr geehrte Frau Otten, ohne nachhaltige Biokraftstoffe der ersten und zweiten Generation wird es keine Verkehrswende in den nächsten zehn Jahren geben. Wir sind davon überzeugt, dass die strengen Klimaziele auf nationaler und europäischer Ebene nur gemeinsam mit dem Biokraftstoffsektor erreicht werden können. 

Insbesondere im Güterfernverkehr hat die Elektromobilität auf absehbare Zeit weder beim Fahrzeugangebot noch bei der Ladeinfrastruktur eine praktikable und wirtschaftlich darstellbare Lösung parat. Hier stellen nur der Einsatz von nachhaltig produziertem Biodiesel und die Forcierung des CNG/LNG-Antriebs mit dem Einsatz von 100 Prozent Biomethan aus Reststoffen ernstzunehmende Alternativen zur Dekarbonisierung dar. 

Die derzeitige THG-Minderung im Verkehr stützt sich nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) nahezu ausschließlich auf den Einsatz von biomassebasierten Energieträgern. Eine sinkende Biokraftstoffproduktion verringert außerdem den Selbstversorgungsgrad mit nachhaltigen Futtermitteln und erhöht zugleich den Importbedarf. Das kann kaum gewollt sein. Genauso wenig wie neue Stilllegungsflächen hervorzurufen und den Landwirten einen finanziellen Ausgleich durch EU-Subventionen zu zahlen. Allein ohne unsere Biodiesel-Produktion würde es zweifellos in Ostdeutschland bereits wieder Stilllegungsflächen in der Landwirtschaft geben. 50 Prozent des ostdeutschen Rapses fließt durch die VERBIO-Anlagen. Wir übernehmen demnach nicht nur Verantwortung für die Dekarbonisierung des Verkehrs, sondern sind auch für die wirtschaftliche Stabilität der deutschen Landwirtschaft systemrelevant. 

Für eine erfolgreiche Verkehrswende fordert VERBIO seit langem von der Politik, endlich die THG-Quote zu erhöhen. Sechs Prozent sind zu wenig. Damit verschenken wir seit Jahren jede Menge Potenzial zur CO2-Reduktion im Verkehr. Auch Sondereffekte wie UER und co-HVO müssen abgeschafft werden, damit Biokraftstoffe auf Basis nachhaltig erzeugter Rohstoffe und Reststoffe wirtschaftlich hergestellt und vermarktet werden können. Damit reduziert sich das iLUC-Risiko auf natürliche Weise – das ist in Ihrem und in unserem Sinne.

Mit freundlichen Grüßen
Claus Sauter
Vorstandsvorsitzender VERBIO Vereinigte BioEnergie AG

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[1] Die generelle Rohstoffzusammensetzung der deutschen Biodieselproduktion wird in regelmäßigen Abständen durch den Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e. V. (VDB) veröffentlicht http://www.biokraftstoffverband.de/index.php/pressemitteilungen.html

Wichtige Hinweise zur Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (BiokraftNachV)

In Deutschland gilt seit Jahren die „Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von Biokraftstoffen“ (Biokraft-NachV), die verbindliche Bedingungen für die nachhaltige Produktion von Biokraftstoffen festschreibt. Nach §§ 3 bis 6 dieser Verordnung dürfen für Biokraftstoffe keine Rohstoffe verwendet werden, die von Flächen stammen, die nach dem 1.1.2008 in eine landwirtschaftliche Nutzung überführt wurden. Gemäß § 4 derselben Verordnung werden Flächen mit hohem Naturschutzwert geschützt und von einer Nutzung für die Herstellung von Biokraftstoffen ausgeschlossen. Bei der Zertifizierung nutzen die Auditoren Informationen des HCV Netzwerkes. Gemäß § 5 derselben Verordnung werden Flächen mit hohen Kohlenstoffbeständen geschützt und von der Nutzung für die Herstellung von Biokraftstoffen ausgeschlossen. Gemäß § 6 derselben Verordnung werden Torfmoore geschützt und von der Nutzung für die Herstellung von Biokraftstoffen ausgeschlossen. Biokraftstoffe müssen zudem nach § 8 derselben Verordnung eine Treibhausgasminderung von mindestens 50% im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen erreichen; in der Realität wird dieser Mindestwert aufgrund der hohen Anforderungen im deutschen Markt deutlich übertroffen. Die Nachhaltigkeitszertifizierung unterliegt strengen Kontroll- und Sanktionsmechanismen der zuständigen Behörden und Zertifizierungssysteme. Das Informationsangebot der BLE bietet umfassende Hintergrundinformationen zu dieser Thematik.

Weitere Informationen, Statistiken und Nachrichten zur deutschen Biokraftstoffproduktion  auch auf: www.biokraftstoffverband.de

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